Eine Geschichte über ein Missverständnis
Wir nahmen den Nachtbus zum Ort Kalaw, um eine zweitägige Wanderung zum Inle Lake zu machen. Es hörte sich wie ein gemütlicher Spaziergang an. Am Vormittag 2 Stunden zwischen Feldern hindurch laufen, Mittagessen und am Nachmittag nochmal zwei Stunden leicht bergab zum Homestay. Dort übernachten wir bei einer Gastfamilie in einem kleinen Dorf und am nächsten Tag geht es nochmal 4 Stunden bis zum See. Klingt leicht und gemütlich, nachdem man in Nepal gewandert ist.
Wir haben also nicht das große Equipment raus geholt, sondern die normalen Turnschuh angezogen und nur den kleinen Rucksack mitgenommen, indem ein Regenschirm, aber keine Regenjacke gepasst hat. Schließlich mussten wir unser großes Gepäck abgeben und für eine Nacht, Schlafsachen mitnehmen.
Der erste Tag bis zum Mittagessen war perfekt.
Die Sonne schien und wir scherzten mit unserem jungen Guild, der aus der Gegend kam. Doch am Nachmittag fing es an zu Regnen. Es kam, wie es kommen musste. Der Weg wurde schlammig und rutschig. Es war naß von oben. Wir streiften Büsche und Blätter, deswegen waren wir naß von der Seite. Und wir rutschten von einer Pfütze und Matschgrube in die nächste.
Für meine Mitreisende war das zu viel. Sie stapfte nach vorne und brüllte den Guild an, weil er ihr nicht genug half. Schon das fünfte Mal lag sie auf dem Boden und ihre Hose war voller Matsch.
Kein angenehmer Gedanken, vor allem, weil der zweite Wandertag noch bevorstand.
Irgendwie schafften wir es in das Dorf.
Wir fragten, ob wir unsere Schuhe zum Trocknen ans Feuer in der Küche stellen konnten und unser Guild nickte eingeschüchtert.
Der nächste Tag.
Die Welt sah nicht mehr ganz so Grau aus, wie am Tag zuvor, auch wenn es nieselte und 4 Stunden Weg zwischen uns und dem See lagen. Die Klamotten waren nicht mehr naß (nur noch feucht). Wir stiegen die Treppe runter zum Frühstück. Da standen unsere Schuhe. Blitzblank. Eine Vorahnung ergriff mich …
Ich rannte zu meinen Schuhen. Sie waren komplett vom Matsch befreit, jede Fuge in der Sohle glänzte wie neu. Aber die Schuhe waren naß – triefend naß, so dass ich sie auswringen konnte.
Pest oder Kolera? Da wären mir die dreckigen Schuhe lieber gewesen.
Das Missverständnis
Unser Guild hatte durch den Anschieß ein schlechtes Gewissen. Er dachte, das meine Mitreisende wegen der dreckigen Kleidung aufgebracht war. Ihr ging es jedoch darum, dass sie in Europa einen anderen Standard gewöhnt war und andere Erwartungen an einen Guild hatte. Für ihn erfüllte er seine Aufgaben, indem er uns den Weg zeigte. Sie erwartete, dass er in diffizilem Terrain auf jeden einzelnen wartet und über schwierige Stellen drüber half.
Dass er, in unseren Augen, mit dem Putzen unserer Schuhe, über das Ziel hinaus geschossen war, war ihm nicht bewusst.
Seit ihr schon mal mit trockenen Socken in triefend naße Schuhe gestiegen und dann 4 Stunden gewandert?