Ich will in Deutschland arbeiten

Welche Hoffnungen durch den deutschen Fußball geweckt werden

Leise klirrt der Eiswürfel meines Pisco Sours an dem Rand des Glases. Neben dem Zirpen und Rascheln, das aus dem Bäumen zu mir dringt, das einzige Geräusch. Einer der Angestellten der Dschungellodge drehen gerade die Lampen auf der Veranda an, als die Sonne langsam über dem breiten Fluss vor mir unter geht. Ein Schatten bleibt neben meiner Hängematte stehen.

„Darf ich sie stören?“, höre ich eine schüchterne Stimme auf Spanisch. Ich drehe mich zur Seite und entdecke einen der Angestellten, die an der Bar arbeiten.

„Ja“, lächel ich ihn an, um ihm etwas Mut zu machen.

„Sie sind aus Deutschland? Oder?“

„Genau“

Ich setze mich auf und lasse meine Beine über eine Seite der Hängematte baumeln, um ihn besser sehen zu können.

„Ich mag Deutschland“, schiebt er mit einem breiten Grinsen nach. Doch mir ist immer noch nicht klar worauf er hinaus will. Nur ein, „Aha“, fällt mir darauf ein.

„Ich mag deutschen Fußball!“

Deutscher Fußball bekannt im kleinem Amazonasdorf

„Ja? Stimmt wir haben gute Fußballteams in Deutschland.“

Sein Gesicht hellt sich auf, weil unser Gespräch so gut in Schwung kommt und ich verstanden habe, um welches Thema es geht. „Welche Mannschaft mögen sie am liebsten?“

„Ähm“, komme ich ins Stocken, „ich kenne mich ehrlich gesagt nicht aus mit Fußball.“ Ich trinke verlegen an meinem Pisco Sour, der seinem Namen Ehre macht, und unterdrücke eine Zitronenkrimasse.

„Ich aber“, strahlen mich weiße Zähne in der Dämmerung an, „Bayern München, Borussia Mönchengladbach, Schalke 04, Borussia Dortmund, Vfl Wolfsburg, ….“

Erwartungsvoll bleiben seine Worte in der Luft hängen. Ich bin dran etwas zu sagen.

„Ähm, ja. Von den Vereinen habe ich gehört.“

Die Aussage scheint ihm auszureichen, um sein wahres Anliegen auszusprechen, weswegen er mich angesprochen hat: „Ich liebe Deutschland! Ich liebe den deutschen Fußball! Deutschland ist Weltmeister! Deutschland muss ein tolles Land sein, mit diesem großartigen Fußball. Deswegen will ich nach Deutschland und dort arbeiten.“

Stille. Ein eindringlicher Blick lastet auf mir und ich nehme noch einen Schluck aus meinem Glas. Zum Glück schmelzen die Eiswürfel bei der Schwüle und verdünnen den Pisco Sour.

„Wo kann ich in Deutschland arbeiten? Was für Jobs gibt es bei euch?“

„Bei uns kann man alles arbeiten. Was kannst du? Was arbeitest du?“

„Ich bin Kellner. Aber ich kann auch alles andere machen. Ich bin stark.“

Als wären wir bei einem Bewerbungsgespräch für eine Bodybilderkarriere, lässt er die Muskeln seiner drahtigen Ärmchen spielen.

„Kannst du mir einen Job besorgen?“

Nach Deutschland nur wegen dem Fußball

Langsam gefällt es mir nicht mehr, in welche Richtung dieses Gespräch abrutscht. „Es ist nicht so einfach einen Job zu bekommen. Du brauchst erstmal eine Ausbildung, die wir in Deutschland anerkennen und wo wir Bedarf an Personal haben. Zum Beispiel Altenpfleger oder Ingenieure ….“

„Was kostet ein Flug nach Deutschland?“, unterbricht er mich.

Jetzt werde ich nervös. Was soll ich ihm darauf antworten? Sage ich die wahren Kosten, denkt er ich muss Millionär sein. Sage ich ihm eine niedrigere Summe versucht er das Geld anzusparen und ohne Job und Visum nach Europa zu kommen, wo sie ihn sofort wieder zurück schicken. Also am besten am unteren Rand der Wahrheit.

“Die Kosten sind schon hoch genug und unerreichbar für ihn, 600 Euro also etwa 2500 Sol für einen Weg. Und du musst vorher erst aus dem Amazonas nach Porto Maldonando. Von dort nach Cusco. Und dann nach Lima. Das kostet noch mal extra.“

Große Augen starren mich an, „So teuer.“ Er verfällt ins Grübeln.

„Ich kann mir das Geld leihen!“, platzt es aus ihm heraus.

„Und dann?“, frage ich ihn, „sprichst du Deutsch?“

Er schüttelt mit dem Kopf.

„Sprichst du Englisch?“

Wieder schüttelt er seinen Kopf.

„Nur wenige Leute sprechen Spanisch in Deutschland. Du wirst dort keinen Job finden. Bleib lieber hier. Schau wie schön es im Dschungel ist. Ihr habt so viel mehr als wir: der Fluss, die Tiere, die Ruhe im Wald.“

Dieses Mal gefällt ihm nicht welche Richtung unser Gespräch angenommen hat, „Aber unser Fußball in Peru ist nicht so gut.“

„Doch“, versuche ich ihn aufzubauen, „ Peru ist seit 30 Jahren das erste Mal wieder 2018 bei der WM dabei. Also macht ihr doch guten Fußball.“

Peru bei der WM

Ein verlegenes Grinsen umspielt seine Lippen, aber ich sehe ihm an, dass ihm das nicht reicht.

„Möchten sie noch einen Pisco Sour?“

 

Amazonaslodge an der peruanischen Grenze zu Brasilien und Bolivien

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