Distanzen schätzen

Wahrnehmungen

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich die Wahrnehmung in verschiedenen Kulturen unterscheiden.
Wie antwortet ihr auf die Frage »Wie weit ist es bis Köln?« oder »Wann fängt der Kinofilm an?«
Genau. Man bekommt (meistens) eine klare Aussage, wie »etwa 12km« oder »um 20:30 Uhr«
Aber nicht so in Nepal!

Distanzen

Wir waren beim Trekken um den Annapurna. Diese Tour dauert mehrere Tage und es geht immer weiter hinauf bis zum Pass Thorung La Pass auf 5200m üNN. Nach einer Weile unterhält man sich darüber wie lange wohl die gesamte Strecke betrifft. Denn es wird immer nur in Höhenmetern gesprochen, aber nicht in Distanzen. Von Guide bekamen wir nur eine Zeitangabe wie, »Heute laufen wir etwa 6 Stunden. Vielleicht aber auch mehr.« – Gut, darauf kann man sich einstellen. Während dem Gehen verliert man eh das Gefühl für die Zeit.
Aber die Frage wie lange die gesamte Strecke ist, kommt doch immer wieder auf.
Am fünften Tag sagte mir meine App, dass wir bereits 70 km unterwegs waren. Ich fragte den Guide wie lange die gesamte Strecke bis zum Pass ist. Verwirrte Gesichter. Ein kurzes Gespräch auf nepalesisch zwischen zwei Guides und ich bekam die Antwort, »60km«
??
»Aber wir sind schon 70km gelaufen. Dann kann die ganze Strecke nicht 60km lang sein.«
Wieder lange Gesichter. Und ich bekam die Antwort, »Dann ist es wohl länger.«

Was zeigt uns dieses kurze Gespräch? Können die Nepalesen keine Strecken messen?
Nein.
Es ist für sie nicht wichtig.
Wir messen unsere Strecken in km und sie eben in Zeit. Und die Zeit ist nicht so festgelegt und genau, denn man läuft einfach und kommt irgendwann an.

Zeitangaben

Jetzt haben wir eben gelernt, dass in Nepal die Zeit wichtiger ist als die Distanz. Aber auch die Zeit ist nicht so fix und genau wie bei uns.
Tourist in einer Herberge, »Funktioniert das Internet?«
Herbergenbesitzer, »Vielleicht, nach später« (»Maybe After later«)

Keine Aussage, mit der ein eingefleischter Deutscher etwas anfangen kann.

Begründungen

Aber auch Gründe, warum etwas gemacht wird oder etwas ist, sind nicht so eindeutig, wie wir es gewöhnt sind.
Auf jede Frage, warum im Buddhismus etwas so gemacht wird, wie es ist, gab es die Antwort, »Für Glück.«

Oder auf die Frage, »Haben sie Käse?«, kam die Antwort der Köchin, »Nein, wir haben keine Kühe, nur Berge.«

 

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