Der nepalesische Kalender
Ich sitze in einem Restaurant in dem Dorf Sauraha vor den Toren des Chitwan Nationalparkes. Es ist Zeit zu essen und ich grübel über der Speisekarte, die sich in allen Touristenorten ähnelt. Reis oder Nudeln?
Ich spreche den jungen Kellner an, der seit einigen Minuten um meinem Tisch tigert. »Was empfehlen sie mir?«
Wir kommen schnell vom Thema ab und plötzlich stehen wir vor der Frage wie alt er ist. Er kommt ins Nachdenken. Murmelt vor sich hin, »Ich bin 2052 geboren … also…«
»Bitte?«
Habe ich das richtig gehört?
Der Kellner kommt aus der Zukunft?
»… ich werde 21 Jahre alt.«
Jetzt wird es seltsam, denke ich mir. Ich muster den Mann von oben bis unten. Er sieht nicht verwirrt aus und er könnte wirklich 21 Jahre sein, anstelle von Minus 34. Ich nehme meinen Mut zusammen und stelle ihm die Frage, die mir auf der Seele brennt.
»Habe ich das richtig verstanden? 2052?«
Und er erklärt, »Genau. In Nepal haben wir einen eigenen Kalender. Wir schreiben das Jahr 2074.«
Ich kratze mich am Kopf. Davon habe ich noch nie etwas gehört.
»Und worauf bezieht sich die Kalenderrechnung? Und benutzt ihr auch den anderen Kalender? Unterscheiden die beiden Kalender sich, außer der andern Jahreszahl?«, platzen alle Fragen gleichzeitig aus mir heraus.
Der Kellner fängt an zu lächeln. Es ist kein Auslachen, sondern er scheint sich zu freuen, dass er mir etwas erklären kann.
»Die Zeitrechnung hat mit dem Hinduismus zu tun. Im Jahre 0 wurde die Welt von Vishnu erschaffen. Wir haben ebenfalls 12 Monate. Aber unser Jahr wechselt Mitte April. – Wir leben mit beiden Kalendern. Es ist ganz leicht, sie umzurechnen.«
Ich bestelle die Nudeln. Es ist nebensächlich geworden, was ich essen. Ich greife nach meinem Handy und google die Infos, die ich eben bekommen habe. Hat der Kellner sich gerade einen Spaß mit mir erlaubt und lacht in der Küche über mich?
Doch da finde ich es.
Nepal hat einen eigenen Kalender, den Vikram Sambat.
56,7 Jahre in der Zukunft.
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