Begegnung auf dem Bromo

Von einem Tsunami und einem Kinderwunsch

Dieses Mal möchte ich von einer Frau erzählen, die ich auf dem Vulkan Bromo auf der Insel Java kennen gelernt habe. Dieser Beitrag handelt von Krankenversicherungen und Tsunamis.

Vulkan Bromo

Als ich angesprochen werde dämmert es noch. Bestimmt wieder einer dieser Anfragen, ob ich Fotos mit einer ganzen indonesischen Familie machen möchte. Dabei kennen die mich doch gar nicht. Aber es scheint sie glücklich zu machen, ein Andenkenbild mit einem Westler zu haben.
Mit 100 anderen Menschen stehe ich auf einer Aussichtsplattform und halte meine Kamera für den perfekten Augenblick bereit. Gleich geht die Sonne auf und die Nebelschwaden, die aus dem Krater des Vulkans steigen, werden golden angeleuchtet.
Die Frau neben mir räuspert sich. Ich werde nicht viel verpassen, wenn ich ihr den Gefallen machen, ein Foto mit ihr zu schießen. Langsam ist zu erkennen, dass der Himmel bewölkter ist als gestern. Mist. Der Sonnenaufgang wird unvergessliches Foto geben. Umsonst früh aufgestanden.

Tsunami in Java

Ich drehe mich zu der Frau um, die neben mir auf der Bank platz genommen hat. Eine junge Muslimin mit ihrem Mann sitzen warm eingepackt neben einander.
»Wo kommst du her?«, fragt sie mich in einem beeindruckend guten Englisch.
»Aus Deutschland. Und ihr?«
»Aus einem Küstenort im Osten von Java.«, antwortet sie mit dünner Stimme.
»Im Osten von Java?«, ich bekomme große Augen, »Ist deine Stadt vom Tsunami betroffen, der vor 3 Tagen vom Anak Krakatau ausgelöst wurde?«
Sie nickt. »Aber wir waren nicht da, als es passierte. Wir sind seit Montag mit meinen Eltern auf Reisen, um den Vulkan Bromo anzuschauen. Ist der nicht wunderschön?«
Ich blicke nochmal zu dem dampfenden Krater rüber. Irgendwie habe ich mir den Touristenmagneten spektakulärer vorgestellt. Oder vielleicht liegt es nur daran, dass die Wolken mir mein Bild versauen werden.
»Ja, er ist ganz nett.«, ich schlucke, um mich auf die Frage vorzubereiten, die mir auf der Zunge liegt.

»Seid ihr vom Tsunami betroffen?«

Sie schüttelt den Kopf und lächelt mich an, »Nein. Unser Haus ist 10 Kilometer im Landesinneren und keiner meiner Freunde und Verwandten ist etwas passiert.«
Wieder ein Lächeln bei dem Thema. Als ich vor 2 Tagen von de Tsunami erfahren habe, habe ich mich kurz erschreckt. Ich bekam nur die Nachricht, »Tsunami auf Java.« Also auf der Insel, auf der ich mich seit über einer Woche aufhalte. Im meinem Hostel sprach ich das Thema und fragte, ob viele Betroffen sind, aber der Typ an der Rezeption interessierte sich nicht besonders dafür. Er sprach zu mir, als ginge es um die Bestellung eines Taxis.
»Warum lächelst du?«, frage ich die Frau, »Warum gehen alle Indonesier mit dem Tsunami um, als wäre nichts passiert?«
Ihr Lächeln verschwindet und ein grübeln verzieht ihren Mund.
»Hm. Es interessiert uns schon. Aber wir sind daran gewöhnt. Ganz oft gibt es Tsunami Warnungen und immer wieder passiert etwas. Dagegen kann man nichts tun. Und von hier aus kann ich erst recht nicht helfen. Wenn ich zurück bin werde ich für die Leute spenden, die ihr Zuhause verloren haben.«

Kinderwunsch in Indonesien

Sie schaut zu ihrem Mann rüber, der die ganze Zeit still neben ihr gesessen hat und jetzt zustimmend nickt.
»Das ist mein Ehemann.«, stellt sie den attraktiven Mann mit der Wollmütze vor, über die quer das Wort »Bromo« gestickt ist. »Wir wollen bald Kinder haben.«
So viel Offenheit habe ich nicht erwartet.
»Wie lange seit ihr verheiratet?«, versuche ich in den Themenwechsel mit einzusteigen.
»3 Jahre. Wir haben noch keine Kinder, weil wir erst Geld sparen müssen.«
»Sind Kinder teuer?«, frage ich.
»Das ist nicht das Problem. Wir brauchen das Geld für die Schwangerschaft.«
»Warum?«, wunder ich mich, »Habt ihr keine Krankenversicherung?«
»Doch. Mein Mann ist Ingenieur und ich bin Englischlehrerin …« Jetzt wird mir klar, warum sie gut Englisch spricht.
»Wir haben beide Krankenversicherungen. Aber diese decken nicht die Schwangerschaftsbehandlungen ab. Und die sind teuer. Es wird noch eins bis zwei Jahre dauern, bis wir das Geld zusammen haben.«
Die beiden schauen sich flüchtig an und ich weiß nicht was ich darauf erwidern soll.
»Schau«, ruft sie in die Stille rein, »Die Sonne geht auf.«

 

 

 

Wenn die Erde bebt

Erdbeben in Peru

Ein grünes S in den öffentlichen Gebäuden und eine Verkehrsschranke an der Straße runter zum Meer, sind das erste was mir auffällt, als ich in Lima unterwegs bin. Unter dem S steht „Sicherheitszone im Fall eines Erdbebens“. Und auf den Schranken: „Geschlossen im Fall eines Tsunamis“.

Sofort werde ich neugierig und greife mir den nächsten Peruaner, der mir über den Weg läuft. Für was sind die Schilder? Gibt es viele Erdbeben in Peru? Wie schützen sich die Leute?

In ruhigen Ton und mit einer Selbstverständlichkeit erklärt er mir, was für ihn Alltag ist:

Erdbeben sind in Peru allgegenwärtig. Jeden Monat ist mit einem zu rechnen. Nicht jedes ist so schlimm wie das letzte Große von 2007 wo über 500 Menschen starben, aber die Gefahr gehört zu Alltag.

Deswegen lernen schon die Kinder in der Schule was zu tun ist bei einem Erdbeben:

  1. Als erstes die Tür aufreißen, damit sie nicht verkeilt und der Rettungsweg später frei ist.
  2. Wenn der Weg zur Flucht nach draußen zu weit ist, neben eine stabile Wand kauern (am besten dort wo ein S die Stelle markiert). Umfallende Bauteile können durch die Wand aufgehalten werden und bilden einen Hohlraum, in dem man überleben kann.
  3. Ein Sicherheitsrucksack sollte in der Wohnung und am Arbeitsplatz aufbewahrt werden. Gefüllt mit überlebenswichtigen Dingen, falls man im Gebäude eingeschlossen ist.
  4. Wenn man es vorher noch raus schafft, sind Versammlungsbereiche markiert. Dort ist man sicher vor herabfallenden Teilen.
  5. Einmal im Jahr finden Sicherheitsübungen in den Gemeinden und Städten statt, damit jeder für den Ernstfall vorbereitet ist.
  6. Auch die Küsten werden gesperrt, falls nach dem Erdbeben das Risiko eines Tsunamis besteht. Ganz eindeutig ist zu sehen, dass die Schranken bei einer Tsunamiwarnung schließen, damit niemand in den Gefahrenbereich fahren kann.

Erdbeben in der Historie

Aber wieso betreiben die Peruaner so viel Aufwand? Ich hatte noch nie eine Erdbebenübung in der Schule!

Wenn man sich die Geschichte des Landes anschaut und die Erdbebenhäufigkeit mit unserer vergleicht, erkennt man schnell wo der kleine Unterschied liegt:

Fast jedes Jahr werden mehrere Erbeben gemessen, die Magnitude größer als 4,5 haben. Oft kommen die Erdbeben im Süden von Peru vor und auch oft in Gegenden wo keine Bebauung ist und Menschen leben. Dann kann es sich um ein starkes Erdbeben handeln, aber es kommen keine Personen zu schaden. Schlimm wird es nur, wenn es sich in bebauten Gegenden abspielt und in Küstennähe, denn dann kommt zu dem Beben noch die Tsunamigefahr hinzu.

Hier einige Beispiele aus den letzten Jahren:

August 2007: Stärke 8,0 in der Nähe von Lima mit Tsunamirisiko und -warnung

August 2014: Stärke 6,9 in Südperu ohne Tsunamirisiko

Januar 2018: Stärke 7,1 in Südperu mit Tsunamirisiko und –warnung

 

Liste der Erdbeben seit 1950 in Peru: https://www.laenderdaten.info/Amerika/Peru/erdbeben.php

 

Geologie von Peru

Die Anden verraten schon, dass besondere geologische Bedingungen in Peru herrschen. Denn die Anden sind entstanden, weil sich die Nazca-Platte unter die südamerikanische Kontinentalplatte schiebt (Subduktionszone). Das passiert im Zentimeterbereich pro Jahr, so dass wir es nicht mit bekommen. Die Erdbeben entstehen dann, wenn sich die Platten in einander verhakt haben und durch einen Ruck die Spannungen entladen.

Mehr zu Plattenverschiebung der Erde: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/klimasystem/geosphaeren/lithosphaere

 

Wie ist es in Deutschland?

Erdbeben in Deutschland kann ich mich nur an eins erinnern: Im Frühling 1992.

Mitten in der Nacht sind wir wach geworden, weil das Haus kräftig am schwanken war. Die Gläser klirrten, aber es viel nichts um oder zerbrach. Das Beben ging nicht lange – wir hatten nicht einmal Zeit die Frage „Was ist das?“ mit einem „Das ist ein Erdbeben!“, sondern nur mit „Das war ein Erdbeben!“ zu beantworten.

Wenn ich mir die Liste mit Erdbeben anschaue, die in Deutschland registriert wurden, sehe ich, dass Mal im Jahr 3 bis 4 anfallen, aber dann auch wieder 4 Jahre nichts. Seit 1911 kein Erdbeben über der Magnitude 6,0. Ich kann mich nur an das eine Erdbeben erinnern mit der Stärke 5,9.

Das liegt daran, dass Deutschland nicht in der Nähe von einer Subduktionszone liegt. Von Italien hört man immer wieder etwas in den Nachrichten, weil dort die afrikanische Platte unter die Eurasische Platte driftet.

Anhand der Erdbebenvorkommnisse aus der Vergangenheit werden Erdbebenzonen in Deutschland ermittelt, die zum Beispiel wichtig sind, wenn die Statik eines Gebäudes berechnet wird. Umso höher die Einstufung in der Erdbebenzone, umso mehr konstruktive Maßnahmen müssen ergriffen werden, um das Bauwerk im Falle eines Erdbebens nicht zum Einstürzen zu bringen. Wenn man sich die Erdbebenzonen für Deutschland ansieht, erkennt man, dass wir im größten Teil keine Erdbeben zu berücksichtigen haben. Das heißt jetzt nicht, dass die Gebäude einstürzen würden, falls ein Erdbeben kommt. Aber daran sieht man, dass in Deutschland nur in einigen Gebieten Erdbeben vorkommen und das mit einer geringen Stärke, so dass Gebäude nicht einstürzen werden.

Mehr zu Erdbeben in Deutschland: https://de.wikipedia.org/wiki/Erdbebenzone

 

In ganz Peru

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