Welttoilettentag

Ohne Toilettenzugang

Vergangenen Montag, am 19. November war Welttoilettentag.
Viele von euch werden sich, in wahren Sinne des Wortes, fragen »Was soll der Sch…?«. Muß es für alles und jeden einen speziellen Tag geben?

Ich muss zugeben, ich habe auch nie verstanden, warum es den Tag der Jogginghose gibt. Aber der Welttoilettentag macht in meinen Augen Sinn.

4,5 Milliarden ohne

Für uns aus Industriestaaten ist der Zugang zu sicheren Toiletten selbstverständlich. Aber für 4,5 Milliarden Menschen auf der Welt nicht. Davon verrichten geschätzt 893 Millionen öffentlich ihr Geschäft und die andern gehen in unhygienische, defekte, schwer zugängliche und öffentliche Einrichtungen.*

Ich habe eine Zeitlang in Süddindien gelebt und dort haben geschätzt ⅓ der Dorfbewohner keine Toilette gehabt. Sie gingen am Morgen und in der Abenddämmerung aufs Feld oder hinters Haus.

In Kamerun an der Grenze zu Nigeria, war ich an einem kleinen Dorf am Meer. Die Hütten bestanden aus Wellblech und ein paar Bretter und dort lebten Familien, die vom Schmuggel zwischen den beiden Ländern lebten. Kein idyllischer Ort, an dem man sich gerne unter die Palmen legt und den Sonnenuntergang genießt. Dort passiert jeden Morgen zum Sonnenaufgang und abends zur Dämmerung ein Ereignis, das für jeden Westler befremdlich ist. Alle Dorfbewohner wachen etwa zur gleichen Zeit auf, wenn die Sonne über den Horizont lugt. Das komplette Dorf stapft bis zur Hüfte in die Brandung des Meeres und verrichtet ihr Geschäft. Das Gleiche passiert im Schutz der Dämmerung erneut.

Umweltprobleme

Ausscheidungen gelangen in die Umwelt. Flüsse werden verschmutzt, die Menschen und Tiere als Trinkwasser nutzen. Krankheiten werden verbreitet. Und ich möchte mir nicht vorstellen, wie ich mich fühlen würde, wenn ich jeden Tag aufs Feld hinter meinem Haus gehen müsste und jeder zuschauen kann.

* Quelle: Newsletter von Ingenieure ohne Grenzen – https://ingenieure-ohne-grenzen.org/de/presse/kampangen/welttoilettentag-2018-wenn-die-natur-ruft

 

Toiletten in der Welt

Toiletten in Südchina

 

Die Krönung eines Sultans

Alleine unter vielen

Eingekeilt in einer Traube von Menschen spüre ich zwei Hände an meinem Arm. Ich erschrecke mich und will meinen Arm weg ziehen. Doch da entdecke ich den Soldat, der mich Richtung Eingangstor drückt. Alle anderen müssen eine Gasse für uns zu bilden. Mehr als überrascht bin ich, als ich plötzlich hinter der Absperrung auf dem großen Platz stehe. Ohne Grund hat mich der Soldat, die einzige Weiße, gepackt und in die Nähe der Zeremonie manövriert. Weiter schieben mich die Hände nach vorne. Am Rand des Platzes stehen geschätzt 1000-2000 Kameruner in Alltagkleidung. Unter einem Pavillon wenige Hundert im Festtagsgewand. Aber ich werde durch sämtliche Absperrungen weiter durch geschoben bis zum inneren Ring und stehe plötzlich 10 Meter entfernt von dem Sultan. Auf dem Platz ist es ganz ruhig. Nur die Lautsprecheranlage übersteuert die Rede des Sultans, der von seinem Hofstaat umringt ist. Ich blicke mich um. In der Hoffnung zu verstehen, warum gerade ich hier her geschoben wurde. Unter dem Pavillon entdecke ich zwei weitere Weiße, die im Anzug in der Hitze brühten. Neben mir noch zwei Weiße im Touristenlook. Die beiden, genauso wie ich, aus der Maße der Kameruner heraus gefischt und vor den Sultan geschoben.

„Was ist hier los?“, frage ich die Frau neben mir.

„Das ist die Inthronisation des Sultans. Alle zwei Jahre muss er in seinem Amt bestätigt werden. Gestern wurde er enthoben und heute wird er wieder eingeführt“, erklärt mir die Frau mit den Altersflecken.

Die Sultansynastie

Als ich mich nach Foumban aufmachte, bin ich von einem Straßenfest ausgegangen mit Essenständen und etwas Musik. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Etwas seltsam fand ich den Taxifahrer, der sich als Prinz vorstellte. Auch die Bedienung im Restaurant prahlte damit eine Prinzessin zu sein. Lässt auf eine große Königsfamilie schließen!

Seit mehreren Generationen besteht die Dynastie des Sultans. Und damit sie niemals ausstirbt, darf jeder Sultan mehrere Frauen habe. Daraus entstehen viele Kinder. Und so kommt es, dass so gut wie jeder Kameruner, den man in Foumban trifft, irgendwie mit dem Sultan verwandt ist.

Die Parade

Das Fest ging den ganzen Tag. Tanzen auf der Straße, Essensstände und Pilgerreisen zwischen den Veranstaltungsorten.

Doch das große Highlight kam am nächsten Tag: Die Parade!

Jeder der mitmachen wollte, verkleidet sich und lief mit. Die Kostüme erinnerten an Kriege und Kämpfe. Jede Verkleidung war Einzigartig. Bei den Frauen lieblich und stolz und bei den Männern aggressiv und wild. Da lief ein Junge in Unterhose. Er war komplett mit Motoröl eingeschmiert. Der nächste hatte verdorrte Blätter zusammen geknüpft und trug einen riesigen Ochsenschädel auf dem Kopf. Ein weiterer Mann zielte mit seinem verrosteten Gewehr auf seine Freunde, die nach einem lauten Peng-Ruf wie bei einer Exekution umfielen.

Die Frauen liebten es schicker! Kleider mit aufwendigen Mustern und gleichfarbigen Turbanen liefen in dem Meer der Menschen. 3 Stunden ging die Parade, die keine Ordnung hatte. Dichter wurde das Gewirr, als eine Limousine anrollte und der Sultan zu seiner Krönung gefahren wurde. Vor dem Sultanspalast endete die Parade und die Würdenträger verschwanden hinter den Toren. Noch bis tief in die Nacht, pulsiert die Stadt.

 

Von einem deutschen Straßenfest bin ich ausgegangen! Und habe dann dieses unglaubliche Spektakel miterlebt!

 

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Eine Pooja zum Baubeginn

Heilige 3 Könige

 

Die fahrende Gebets-Shopping-Disko

Der Nachtbus von Douala nach Bamenda

Meine Glieder schmerzen.

Die letzten 8 Stunden waren schlimmer als eine Nacht in der Holzklasse von einem Low-Budget-Flieger, mit schreienden Kleinkindern, Ausdünstungen vom Nachbarn und Flugzeugessen, das man bezahlen muss.

Von der Küstenstadt Douala fahren Kameruner mit dem Nachtbus nach Bamenda, wenn sie kein eigenes Fahrzeug besitzen. Dieser Nachtbus startet spät abends in Douala und fährt die ganze Nacht durch bis er morgens um 5 Uhr in Bamenda ankommt.

Ich hatte einen großen, klimatisierten Bus erwartet, mit breiten Sitzen, einer Toilette an Bord und vielleicht einem freien Platz neben mir, damit ich mich ausbreiten kann. Aber der Bus, vor dem ich stand, war weit von meinen Hoffnungen entfernt!

Ja, es war ein großer Bus. Aber mehr Gemeinsamkeiten hatte er mit meinen Erwartungen nicht.

Die geschätzten 70 Plätze in dem einstöckigen Bus waren aufgeteilt in breite Holzbänke auf der rechten und schmale Holzbänke auf der linken. Wer keinen Platz auf den Bänken bekam saß im Gang auf dem Boden oder auf den beiden Eingangstreppen. Ich teilte mir die breite Bank mit zwei ausgewachsenen Afrikanern, so dass meine Sitzfläche auf eine Halbe reduziert wurde. Seitlich schob ich mich an die Armlehne. Stütze meine Ellenbogen auf. Und vergrub meinen Kopf in den Händen, die meinen Schal wie ein Kissen hielten. So würde ich es bestimmt einige Stunden ertragen können, wenn ich immer wieder das Gewicht von einer Pobacke auf die andere wechselte.

Platzmangel auf den Holzbänken

Der Bus kam in Bewegung und als wäre es ein Zeichen Gottes gewesen sprang ein christlicher Priester auf und betet lautstark mit den Fahrgästen. An Schlaf war bei dem Lärm nicht zu denken und als dann auch noch die Arme meines Nachbars mit allen anderen nach oben schnellten um Gott anzupreisen, vertrieb ich mir die Zeit mit dem Zählen von dem Wort „Jesus“, das in jedem Satz zu fallen schien. Nach einer Stunde hörte er endlich auf und wir näherten uns Mitternacht. Zurück in meiner geplanten Schlafposition, wurde ich aus dem Dämmerschlaf gerissen, als auf dem Bildschirm unterm Busdach ein Musikvideo aufleuchtet, mit wackelnden Hintern in der Linse und eine Musiklautstärke, die Tote aufwecken könnte. Zeit für Ohrenstöpsel!

Keine Chance auf Schlaf im Nachtbus

Nun galt es die Musik in meine Träume einzubauen, um wenigstens einige Stunden Schlaf zu bekommen. Aber das Schicksal wollte es anderes, denn die Fahrt wurde aufgeteilt in Raserei oder bucklige Straße, die den ganzen Bus durchrüttelten. Jetzt verstand ich das lange Gebet am Anfang.

Mit jeder Stunde wurde die Musik aus dem Video lauter. Zwei Stunden vor Bamenda dachte ich, ich würde in einer Disko schlafen. Und damit wirklich niemand die Ankunft verschlief, sprang eine Stunde vorm Ziel ein Verkäufer auf, um unsere Gefangenschaft auf dem kleinen Raum auszunutzen. Ein braunes Wässerchen gegen schlechte Zähne! Oder etwas Gelbes gegen Malaria. Ich kam mir vor wie in dem Film „Der Medikus“ wo gefärbte Pferdepinkel als Wundermittel verkauft wird.

Wundermittel gegen jede Krankheit

Endlich setzte die Dämmerung ein und wir bogen auf die staubige Fläche des Busbahnhofes ein. Diese Nacht war geschafft. Mit letzter Kraft zog ich meinen Rucksack hinter unzähligen Warenbündeln aus dem Kofferraum raus. Und ich verdrängte den Gendanken, dass ich in weniger als zwei Wochen diese Fahrt zurück nach Douala wieder antreten müsste.

 

Von der Küstenstadt Douala in das Zentrum von Kamerun nach Bamenda

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Öffentliche Verkehrsmittel in anderen Ländern

Die Metro in der Luft

 

 

Der große Traum vom Reisen

Was für uns Deutsche selbstverständlich ist, ist für viele Kameruner unmöglich und bleibt ein unerfüllter Traum.

Das uneingeschränkte Reisen

Hier ein Gespräch, das ich mit einem Kameruner, der für eine Partnerorganisation gearbeitet, geführt habe:

„Wie schwer ist es eigentlich für Kameruner ein Visum für Europa zu bekommen?“ frage ich vorsichtig und wende den Fisch in der Pfanne, damit er nicht anbrennt.

Patrick lässt die Zwiebel auf das Brettchen sinken und schaut mich an, „Sehr schwer. Ich würde so gerne nach Holland fahren. Ich hatte mal einen Volontär aus Holland, der mir von den Windmühlen erzählt hat, die ich gerne sehen würde. Aber die Behörden haben meine zwei Visumanträge ohne Grund abgelehnt.“

„Einfach so?“, frage ich nach, weil er verstummt.

„Ja. Auch Freunde von mir haben sie keinen Grund genannt, warum sie kein Visum bekommen haben“, er setzt wieder das Messer an, um die Zwiebel zu halbieren, „Wir denken, dass es an dem Geld liegt. – Es ist eigentlich nicht erlaubt, aber die Visabüros fragen bei deiner Bank nach wie viel man auf dem Konto hat.“

Er dreht die Zwiebel und halbiert sie erneut, „Und man muss nachweisen, dass man einen Grund hat wieder nach Kamerun zurück zu kommen. Damit man nicht einfach in Europa bleibt und sich dort einen Job sucht. Nicht viele dürfen gehen.“

„Was ist so ein Grund, den man vorgeben muss?“

„Zum Beispiel, wenn man hier eine Familie hat oder ein gutes Business vorweisen kann. – Tja, oder wenn man es bezahlen kann.“

Ich gieße etwas Öl in die Pfanne nach und schiebe leise meine Frage hinterher, die mir auf der Zunge brennt, „Und was denkt ihr darüber, dass wir Europäer überall hin dürfen?“

„Ihr seid privilegiert!“, ein Donnern schwingt neben den festen Worten von ihm mit, als seine Faust auf der Küchentheke aufprallt, „Ihr habt Glück! Ihr dürft dankbar sein, dass ihr machen könnt was ihr wollt.“

Mit angespannten Rückenmuskeln verharrt Patrick in seiner Stellung, doch seine Augen spiegeln nicht die Bestimmtheit seiner Worte wieder, sondern nur Traurigkeit.

Bamenda in Kamerun

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